Das Gebet des Jabez – keine Wunschliste, sondern tiefe Beziehung

Was wie ein selbstbezogenes Wunschgebet klingt, entpuppt sich als ehrlicher Ruf nach Veränderung. Das Gebet des Jabez erzählt von Schmerz, Identität und dem Mut, Gott um ein neues Leben zu bitten. Eine Einladung, festgelegte Prägungen hinter sich zu lassen und Gottes erneuernde Kraft zu entdecken.

Betender Mann

Im Sommer durfte ich unsere Predigtserie „Lebens-Worte – Bibelstellen, die mein Leben geprägt haben“ abschließen. Dieser Gottesdienst fiel ausgerechnet auf den ersten Sonntag im neuen Schuljahr. Weil mich mein „Lebens-Wort“ genau seit meiner eigenen Schulzeit begleitet, war es für mich etwas Besonderes, im Rahmen eines Familiengottesdienstes darüber zu predigen und damit hoffentlich vielen Schülern, aber auch Lehrern und Eltern Mut zu machen.

Mein Lebenswort ist das „Gebet des Jabez“ aus 1. Chronik 4,10 – und dieses Gebet wirkt zunächst gar nicht so, als wäre es erstrebenswert zu beten …

Er selbst (Jabez) aber hatte zum Gott Israels gebetet: „Segne mich und erweitere mein Gebiet! Steh mir bei und halte Unglück und Schmerz von mir fern!“.

Klingt das nicht wie ein überaus selbstbezogenes Gebet? Wenn wir heute beten, dann beten wir meist bescheidener und verhaltener. „Jesus, wenn du willst, dann …“. Aber bei Jabez erkennen wir auf den ersten Blick keine Bescheidenheit oder Bitte. Vielmehr lesen wir fast Forderungen und sein Gebet klingt wie eine Wunschliste. Es ist darum wichtig, sich den einzigen Vers anzusehen, den wir in der Bibel sonst noch zu Jabez haben – Vers 9:

Ein Mann namens Jabez war der angesehenste unter seinen Brüdern. Bei seiner Geburt hatte seine Mutter gesagt: „Ich habe ihn mit Schmerzen geboren“, und deshalb hatte sie ihn Jabez genannt.

Wenn das Leben zur Last wird

Anders, als das heute bei uns noch üblich ist, hatte der Name in biblischen Zeiten oft eine besondere Bedeutung. So wie die Person geheißen hat, ist dann oft auch ihr Leben verlaufen. Salomo bedeutet zum Beispiel „Frieden“, weil unter seiner Herrschaft Israel keinen Krieg führen musste. Mose heißt „Herausgezogener“ – zunächst, weil er als Baby aus dem Wasser „gezogen“ und gerettet wurde, und später, weil Gott ihn gebrauchte, um Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten „herauszuziehen“. In 1. Chronik 4,10 erfahren wir nun, was der Name Jabez bedeutet – und im Gegensatz zu vielen großen Beispielen der Bibel, war sein Name alles andere als verheißungsvoll … denn Jabez bedeutet „Schmerz“. Was für ein Name!

Vers 10 erklärt, warum Jabez so geheißen hat: Weil seine Geburt besonders schmerzhaft gewesen sein muss. Von daher ist es nachvollziehbar, warum Jabez so genannt wurde. Für Jabez aber war die Realität die, dass er von Anfang an mit einer Bürde durchs Leben ging. Mit einer Last und Vorherbestimmung, die kaum abzuschütteln war. „Ich bereite Schmerz. Das ist meine Bestimmung?!“. Und das macht was mit einem Menschen. Und auch mit den Menschen um einen herum. Zu jedem Zeitpunkt musste Jabez und allen Menschen um ihn herum bewusst gewesen sein, unter welchem Schatten sein Leben steht.

Wer das Leben verändern kann

Und wenn wir mit diesem Wissen noch einmal das Gebet des Jabez lesen, beginnen wir es anders zu verstehen. Jabez betet keine Wunschliste ab. Er sagt nicht: „Hey, ich will das jetzt haben“. Sondern Jabez betet: „Hey, ich will da raus“. „Ich will das nicht mehr“. „Ich will raus aus dem, wer ich in und für die Welt bin“. Und mit seinem Wunsch macht Jabez dann das Beste, was man in so einer Situation nur machen kann – er wendet sich an den Gott Israels! Er setzt all sein Vertrauen in Gott und wurde dadurch „der angesehenste unter seinen Brüdern“. Nicht weil er ein mächtiger Krieger war, sondern ein ehrlicher Nachfolger Gottes. Nicht aufgrund seiner eigenen Stärke, sondern aufgrund seiner tiefen Beziehung zu Gott – aufgrund seines Gebet: „Gott, mein Leben stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Aber ich weiß, dass du größer bist. Ich will da rauskommen. Und ich glaub daran, dass du das machen kannst. Darum … segne mich!“.

Was wir hier bei Jabez sehen, ist ein frühes Zeugnis von einem zentralen geistlichen Prinzip – nämlich von Veränderung und Erneuerung. Gott möchte uns Menschen, die wir alle irgendwo „mit Jabez“, also mit Schmerz durchs Leben gehen, wieder heil machen. Und wenn wir Gott ehrlich nachfolgen, dürfen wir diese Erneuerung auch heute erfahren. Denn so wie damals bei Jabez gilt diese Einladung auch heute für uns – ganz unabhängig davon, wo wir gerade stehen oder in welchem Lebensbereich wir unterwegs sind: in der Schule, im Beruf, in Beziehungen oder in der Gemeinde. Sie gilt uns allen und lädt uns ein, das Gebet des Jabez zu unserem eigenen Gebet werden zu lassen.

P.S.: Das Bild dieses Blogs ist entstanden, weil für mich das Gebet des Jabez wie „geistliches Atemholen“ ist. Wenn du mehr über diesen Gedanken erfahren möchtest, hör am besten die Predigt nach.

Cover-Foto mit KI erstellt (ChatGPT)
6. Dezember 2025
Blog
Gedanken von

Alex

Alexander Gewessler
Alex ist seit 2008 in der Evangeliumsgemeinde und engagiert sich im Bereich Kommunikation, Digitales und Medien.