Im Wartezimmer


Im Wartezimmer

Warten.

Mensch sein bedeutet ein Wartender zu sein. Auch im Advent warten wir auf etwas: wir warten auf Weihnachten, wir warten auf Gott. Vier Wochen, vier Sonntage, vier Kerzen. Wir zählen die Tage, machen den Adventkalender jeden Tag auf. Wir warten und hoffen und freuen uns. Die Ruhe wird schön sein und die Feier besinnlich, dann wird endlich wieder alles gut sein, denken wir. Dann, wenn das Warten endlich vorbei ist.

Kennst du das?

In diesem Jahr wird mein Warten, wie bei vielen anderen, von der Pandemie und ihren Auswirkungen geprägt. Ich merke, ich warte auch hier wie in einer endlosen Warteschleife am Telefon: auf Testergebnisse, auf Heilung, auf den lang ersehnten Familienbesuch, auf die Umarmung der Freundin, auf sicheres Einkommen, auf einen Impfstoff,  auf das lange Ausatmen, auf das normale und einfache, verrückte Leben, auf das Reisen Können, auf das Gefühl "es ist vorbei".  Sogar mein Herz scheint in diesen Tagen eine Maske zu tragen. Ich bin gefangen in dieser Zwischenzeit, zwischen Warten und der Vollendung des Erwarteten. Ein Zwischenraum wie ein Wartezimmer; ein bisschen wie unser Leben hier zwischen Himmel und Erde.

Was passiert in mir in diesem Wartezimmer mit einer Maske über meinem Herzen? Ich bin nicht immer präsent und verpasse so viel, weil das, auf das ich sehnsüchtig warte, all meine Aufmerksamkeit nimmt. Ich stecke fest in der Sehnsucht nach dem Vertrauten, wie das Leben vor Corona war, und möchte nichts lieber, als dass es bald wieder so werden kann. Dabei verpasse ich das Jetzt, und damit alles was wir gerade haben. Jetzt, hier, wo ich gerade warte, wo ich gerade bin.

Wer ist aber da, wo ich gerade bin? Ich warte nicht allein - ich warte jetzt schon mit dem Immanuel, mit Gott mit uns. Wir warten sehnsüchtig auf die Ankunft von Jesus in dieser Adventzeit und wir feiern Gott mit uns – Immanuel. Darf ich dich ermutigen? Gott ist bereits hier, und war es schon immer!

Über die Jahrhunderte wartete das Volk Gottes lange auf seine Rettung. Vor langer Zeit schrieb ein Psalmist in Psalm 130,5-6:

Ich setze meine ganze Hoffnung auf den Herrn; ich warte auf sein erlösendes Wort. Ja, ich warte voller Sehnsucht auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen!

Aus der Tiefe seiner Verzweiflung ruft der Psalmist zu Gott. Er möge sein Schreien erhören und ihn endlich erlösen. Diese Sehnsucht kenne ich. Fast spürt man das Warten auf Erlösung, welches man nicht länger ertragen kann.

Aus der Tiefe seiner Verzweiflung ruft der Psalmist zu Gott. Er möge sein Schreien erhören und ihn endlich erlösen. Diese Sehnsucht kenne ich. Fast spürt man das Warten auf Erlösung, welches man nicht länger ertragen kann.

Wie ist es, wenn ich so warte wie der Psalmist und meine ganze Hoffnung auf Gott setze? Christliche Hoffnung ist kein Wunschdenken, sondern es ist ein Gott Anvertrauen, was ich nicht tragen kann in der Gewissheit, dass Er handeln wird. Was möchte ich abgeben, weil ich es nicht tragen kann?

Das ändert die Qualität meines Wartens. Es macht den Psalmisten und auch mich frei, wieder im Hier und Jetzt zu sein.

Ich bleibe stehen, ich atme aus, die innerliche Maske fällt ab. Liebe, Freude und Frieden kommen hoch.  Dankbar bin ich für die schönen, banalen Dinge jeden Tag. Dankbar für die Begegnungen der Augen mit meinen Mitmenschen, meinen Mitwartenden. Dankbar bin ich für die Adventzeit, die heuer so anders ausfällt und die so heilsam ist, weil sie doch so vereinfacht ist. Gott ist mit uns, unter uns und bei uns.

Foto von Kelvin Balingit via Unsplah.


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