Die Erde bebt! Meine Gedanken zur Lage in Kroatien


Die Erde bebt! Meine Gedanken zur Lage in Kroatien

Wir schreiben das Jahr 1990 ...

Mein Aufsatz aus der 1B der Hauptschule in Petrinja über unsere schöne Stadt im mittleren Kroatiens wird in Radio vorgelesen. Ich bin sehr stolz drauf. Zu diesem Zeitpunkt vor allem auf meinen Aufsatz. Andere Zusammenhänge und Aspekte des Lebens, wie die Angst beim Kirchengang, kann ich noch nicht richtig einordnen. Kommunismus ist zwar allseits beherrschende Macht in der Gesellschaft aber als 11-Jähriger habe ich besseres zu tun, als über Gesellschaftsformen zu sinnieren.

An einem schönen sonnigen Sonntag werde ich von meiner Mutter mit den hübschesten Kleidern bekleidet und ich begebe mich ganz allein durch die Stadt auf den Weg zur Kirche. Einige andere Kindern und ihre Familien sind ebenfalls ganz anders angezogen als sonst und es ist ganz offensichtlich, dass das Versteckenspielen "in die Kirche gehen" für mich mit dem Tag ein öffentliches Ende genommen hat.

Ich fühle mich gut, getragen, gesegnet.

In der Kirche St. Lovran in Petrinja bestätige ich meinen Glauben. Firmung nennen es einige. Für mich ist es das Ereignis, bei dem ich Gottes Nähe spüren darf. Das Gefühl ist unbeschreiblich, trotz aller schwierigen Umständen und Menschentrubel an dem Tag, kann ich Gottes Liebe in meinem Herzen wie ein Feuer spüren. Es ist ein Gefühl, das meinen ganzen Körper schweben lässt.

Im Jahr 1991 beginnt der Krieg

Zerstörung.

Tote.

Nächtliches Versteckenspielen in den Kellern der Nachbarn, während die Flieger die Stadt zerbomben.

Angst.

Flucht.

Flucht in die Nachbarstadt Sisak. Das neue Stockbett für mich und meinen Bruder wurde in unserer Wohnung in Petrinja nicht mal ausgepackt. Bis auf ein paar Bilder wurde alles zurückgelassen und nicht mehr wiedergesehen.

Der Vater verabschiedet sich von uns und flüchtet nach Österreich um sich nicht "entscheiden zu müssen" an welcher Seite er kämpfen sollte. Welchen Teil der eigenen Familie soll er bekämpfen und welche Verwandte beschießen?

Weitere Flucht mit dem älteren Bruder, der kleineren Schwester und Mutter nach Rovinj am Meer. Dort wird nicht so viel geschossen, wird uns erzählt, während wir in den Bus einsteigen. Das klingt sicher, dachte ich mir. Im schlimmsten Fall schwimme ich nach Italien rüber, dachte sich der schlaue 11-jähriger Nikola, der gut in Geografie war.

Im Jahr 1995 ist Petrinja frei

Nach 4-jährigen Bürgerkrieg ist meine Heimatstadt Petrinja frei. Jahrelanger Wartezeit auf die Rückkehr wurde endlich ein Ende gesetzt. Mittlerweile, seit einigen Monaten in Österreich lebend, habe ich es nicht erwarten können meine Heimatstadt wieder zu sehen. Endlich wird wieder alles gut, dachte sich der 16-jähriger Nikola. Den Kindern wurde zuerst nicht gestattet in die Stadt zu gehen, bis die Entminungseinheiten des kroatischen Bundesheers ihre Arbeit nicht abgeschlossen haben.

An einem verregneten und kalten Tag saß ich wieder im Bus. Diesmal zurück in die Vergangenheit, um die letzten Jahre aufzuholen. Nur dass die Stadt nicht mehr da war, ich erkannte sie nicht wieder. Zerschossene Fassaden, zerbombte Häuser, an jeder Ecke große Berge Müll, keine Kinder, kein Gelächter. Wieder ging ich allein durch die Stadt.

Lukas 19,41:

Als Jesus sich der Stadt näherte und sie vor sich liegen sah, weinte er und sagte: "Wenn doch auch du heute erkannt hättest, was dir Frieden bringt!"

Um die Zeit habe ich eine Predigt gehört. Man soll seine Feinde lieben, hieß es da. Ich habe es nicht verstanden. Das muss er wohl als Priester sagen, dachte ich mir. Er weiß nicht welche Schmerzen mir der Feind zugefügt hat und ich habe es ausgeschlossen. Niemals soll dem Feind verziehen und vergeben werden, dachte zu dem Zeitpunkt, ganz falsch, der stolze Nikola.

Ende 2020 sollte anrücken und endlich dem neuen Jahr Platz machen

Ein komisches Virus hält die ganze Welt im Atem.

Ich sitze auf der Couch und es ist gemütlich. Eigentlich geht es mir eh gut, wie ein Wiener zu sagen pflegt. Nicht festlegend. Man kann sich’s aussuchen. Je nachdem wer fragt. Wenn das Finanzamt fragt, dann geht es mir nicht so gut. Die monatlichen finanziellen Unterstützungen sollen doch weiterhin pünktlich überwiesen werden. Wir haben keinen Stress in die Gemeinde zu kommen, dieser wird per Stream ins Wohnzimmer übertragen.

Nachrichten prasseln rein. Erdbeben in Kroatien. 6,3 nach Richter. Kurze Gedanken über das Ende der Skala. Es geht doch bis 10 dachte ich, wie so oft, allzu stolz über mein angeeignetes Wissen. Es dauert keine Stunde und es werden erste Bilder veröffentlicht. Die seit dem Krieg einigermaßen aufgebaute Stadt Petrinja ist zur Hälfte zerstört. Nahezu kein Gebäude sollte ganz unbeschadet das Erdbeben überstehen.

Wieder Fragen. Mehr als Antworten.

Diesmal sind die Fragen aber anderer Natur. Diese sind nicht mehr so gewaltig. Diese haben nicht mit den persönlichen Grundsatzgedanken des Glaubens zu tun, aber doch sind sie da. Ich will helfen. Wird das die Welt retten? Wird es mich retten? Wird es eine so große Fußnote in Leben anderen hinterlassen, dass sie sich entschließen werden Jesus nachzufolgen? Leider war ich auch in Mathe gut und die Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung sind mir noch bekannt.

Mich wird die gute Tat nicht retten.

Das bin ich schon.

Allein und einzig durch die Gnade Gottes.

Die ich angenommen habe.

Galater 6,2:

Helft einander, eure Lasten zu tragen. So erfüllt ihr das Gesetz, das Christus uns gibt.

Es wäre schön, wenn du den Erdbebenopfern helfen könntest. Das wichtigste wäre Gebet. Sollte es dir möglich sein, dann gerne auch finanziell. Weitere Infos findest du auf dieser Seite.

Cover-Foto von Shefali Lincoln via Unsplash.


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