In meiner Predigt am 20. Oktober über Jesaja 55 haben wir uns zum Abschluss unserer Predigtserie "Der dienende König" nochmal die Extreme vor Augen geführt, mit denen wir uns in dieser Serie immer wieder beschäftigt haben. Nämlich einerseits mit der schlimmen Situation vom Volk Israel im babylonischen Exil, also weitgehend in Gefangenschaft. Und andererseits damit, dass Gott sein Volk tröstet und ihm verspricht, es aus dieser schlimmen Situation auch wieder herauszuführen - und dass es langfristig mit Jesus auch ewige Rettung geben wird. Vieles davon begegnete uns auch in Kapitel 55 wieder, wo Gott dem Volk Israel 3 Einladungen ausspricht. Und zwar Einladungen zum Heil (Verse 1 bis 5), zur Umkehr (Verse 6 und 7) und zur Freude (Verse 8 bis 13).
Unglaubliche Zukunft?
Besonders die Einladung zur Freude erscheint dabei vielen von uns auf den ersten Blick fraglich. In den Versen 8 bis 13 in Kapitel 55 stellt Gott seinem Volk nämlich eine unglaubliche Zukunft in Aussicht. Es geht in diesen Versen um viel mehr, als dass Gott Israel aus dem Exil befreit. Wir lesen hier im Grunde von einer Vorschau auf Gottes Heil für alle Menschen und für immer. Und Gott erreicht das durch "sein Wort" (Vers 11), also in letzter Instanz durch Jesus. Das wird von Jesaja mit positiven und bildgewaltigen Versen untermauert, wo wir davon lesen, wie Regen und Schnee alles fruchtbar machen, alles wachsen lassen werden, wo der Bauer genügend Saat zum Ausstreuen und Brot zum Essen hat, wo sogar Berge und Hügel in Jubel ausbrechen, wo Bäume in die Hände klatschen und wo aus Dornen etwas Schönes entsteht, wo also eine komplette Veränderung zum Guten stattfindet. Diese Aussicht, dieses Versprechen galt damals aber nicht nur dem Volk Israel, sondern gilt auch uns heute. Denn wir sind heute diejenigen, die gemeint sind, wenn es in Vers 5 heißt, dass Menschen auch aus anderen Völkern Gott preisen werden. Auch wir dürfen heute in Erwartung dieser unglaublichen Aussicht leben.
Aber hat diese unglaubliche Aussicht irgendetwas mit der Realität zu tun, in der wir leben? Oder sind diese unglaublichen Aussichten nur genau das: Unglaublich? Nicht wirklich echt? Diesen Schluss kann man ziehen, wenn wir uns die durchwachsene Geschichte von Israel, aber oft auch unser eigenes Leben ansehen. Wir erleben immer wieder Angriffe, sind belastet und müde.
Versucht man Fragen wie diesen in der Bibel nachzugehen, landet man nicht selten ausgerechnet bei 2 sehr bekannten Versen aus Jesaja 55 - den Versen 8 und 9:
Er sagt: "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege. Denn wie der Himmel die Erde überragt, so sind auch meine Wege viel höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken."
Diese beiden Verse werden häufig als Erklärung verwendet, wenn wir uns Gott oder das, was in unserem Leben passiert, eben nicht erklären können. Diese Verse bringen nämlich zum Ausdruck, dass wir als Menschen das Handeln von unserem großen, gewaltigen Gott ab und an einfach nicht verstehen können - aber das Gott natürlich weiß, was er tut. Der Schluss, der dann gerne gezogen wird, ist der, dass Gott souverän ist und über allen Dingen steht. Vielleicht hast du selbst schon erlebt, wie dir genau diese Verse zugesprochen wurden, als es dir mal nicht so gut gegangen ist? Vielleicht gemeinsam mit dem dann sicher gut gemeinten Ratschlag, Gott doch einfach nur zu vertrauen – oder "noch mehr" zu vertrauen. Wie ist es dir in diesem Moment gegangen? War das wirklich hilfreich? Hat das deine nagenden Fragen beantwortet und deine Zweifel zerstreut?
Bitte nicht falsch verstehen: Gott ist natürlich souverän und allein daraus Kraft zu schöpfen, zu hoffen und zu vertrauen, dass er alles in seiner Hand hält, kann trösten und kann stärken, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass du in deinem Leben, so wie das Volk Israel, schon in Situationen warst, wo du das nicht so erlebt hast. Und wo dich Enttäuschung, Frust und Wut in ein geistliches Exil getrieben haben. Wie können wir damit dann umgehen? Was hilft uns dann, die Einladung zur Freude annehmen zu können?
Unglaubliche Vergangenheit!
Wenn wir Jesaja 55,8-9 nur in eine Richtung, in Blickrichtung dieser unglaublichen Zukunft lesen, könnte man meinen, Gott steht allem, was auf der Welt und in unserem Leben passiert, völlig gleichgültig gegenüber. Als wäre er ein Wesen, hoch über uns, was nichts mit uns Menschen zu tun hat. Dem die Sorgen, Nöte und Leiden auf der Welt komplett egal sind. Aber wenn wir zurückschauen, in Blickrichtung Vergangenheit, wenn wir auf das Kreuz von Jesus schauen, sehen wir schnell, dass das komplett falsch ist.
Jesaja 55,8-9 ist nämlich in beide Richtungen gültig! Also gleichermaßen für das Unglaubliche, was noch passieren wird, aber genauso für das Unglaubliche, was schon passiert ist. Der Einladung zur Freude geht nämlich Gottes Einladung zum Heil voraus, "weil Gott gern zum Vergeben bereit ist" (Vers 7). Und unter diesem Blickwinkel bekommt die Aussage "Meine Wege sind nicht eure Wege" eine komplett andere Bedeutung! Die Aussage ist jetzt nicht mehr nur "Hey, die Zukunft wird super, voller Freude, aber es ist manchmal nicht ganz klar, wie wir dorthin kommen", sondern Gott sagt mit diesen Worten jetzt auch:
Hey, Menschen, eigentlich hättet ihr euch nichts mehr verdient. Die völlig logische Folge von eurem bisherigen Leben wäre eigentlich, dass ihr für immer im Exil bleibt. Weit weg von mir. Egal ob gefangen an einem Ort (wie Babylon oder Wien) oder in euren Sünden. Aber weil meine Wege nicht eure Wege sind, weil ich über die jetzige Enttäuschung, die ihr mir macht, hinwegsehe; und weil meine Gedanken höher sind als eure Gedanken, habe ich alles getan, um diese kaputte Beziehung zwischen uns wieder gesund, wieder heil zu machen. Dafür habe ich alles getan. Ich habe alles in Kauf genommen - und dabei auch meinen Sohn, Jesus, nicht verschont. Sein Leben war der Preis, den ich für dich bezahlt habe. Er hat gelitten, damit dein Leid - und ich sehe dein Leid - nie größer werden kann als die Freude, die dadurch wieder möglich ist.
Gott hätte sich niemals mehr mit unseren Sorgen, Nöten und Leiden identifizieren können, als durch die unglaubliche Tat, sich selbst in die größte Not und das schlimmste Leiden zu stürzen. Denn nichts anderes war es, als Jesus die Dornenkrone aufgesetzt bekommen hat und seinem Tod am Kreuz entgegenging. Jesus war kein Superheld, kein Märtyrer, der stolz in den Tod ging. Im Garten Gethsemane wurde er von so tiefer Angst ergriffen, dass er zu seinen Jüngern sagte "Ich zerbreche fast unter der Last, die ich tragen muss". Und genau aus diesem Grund, kann uns Jesus auch so gut verstehen, wenn uns in unserem Leben oft überhaupt nicht nach Freude zumute ist.
Jesus ist unser Leidensgenosse.
Aber genau deshalb können wir mit Jesus dann auch erste Schritte nach vorne gehen – nach vorne in Richtung "Unglaubliche Zukunft!".
Die komplette Predigt kannst du auf unserer Website oder auf Spotify nachhören.
Bild künstlich generiert mit Midjourney und Adobe Firefly.
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